Parabel auf den modernen Politzirkus
Viel Beifall für Schillers Trauerspiel "Maria Stuart" am Theater Annaberg-Buchholz – Fokus liegt auf der Figur der englischen Königin
Maria wirft sich auf den Boden, um Gnade bittend. Da ist sie ganz oben auf der Treppe, die das Podium für den berühmten Schlagabtausch der englischen und schottischen Königin darstellt. Elisabeth steht in diesem Moment unter ihr. Doch die Positionen der beiden Rivalinnen wechseln immer wieder, so wie jede in diesem gnadenlosen Wort-Duell mal triumphiert, mal unterliegt. Das ist ein spannendes Spiel, die stärkste Szene des Abends.
"Maria Stuart" hatte am Sonntagabend im Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz Premiere. Und schon die Optik (Ausstattung Saskia Vollmer) legte nahe, Regisseur Torsten Krug erfüllt mit seiner Inszenierung nicht allein einen Bildungsauftrag, vielmehr macht er Schillers Klassiker zu einer Parabel auf den modernen Politzirkus. Scheinheilige Strippenzieher, schmierige Hofschranzen, intrigante Karrieristen – die Truppe im Rücken der mächtigsten Frau Englands ist so widerlich eigennützig, wie die Herrscherin in ihrem Tiefsten zerrissen ist. Und genau dieser innere Widerstreit und die Frage, was macht Macht mit dem Menschen, stehen deutlicher im Fokus des Regisseurs als Marias Schicksal.
Da ist eine Frau, die das Richtige für ihr Land tun will, ihre Herrschaft sichern muss, sich in einer Männerwelt zu behaupten versucht - der Erfolgsdruck, unter dem Elisabeth steht, ist immens. Maria Richter schwingt eine Gerte, mit der sie ihre Untergebenen ebenso straft, streichelt wie auf Distanz hält. Nur in ganz wenigen Augenblicken, wenn sie ihre Perücke abnimmt, kann sie ganz sie selbst sein. Verletzlichkeit und Ratlosigkeit scheinen da auf, doch diese Momente sind rar und kurz. Den Schein von Stärke darf sie nach außen nicht verlieren, sonst ist sie selbst verloren. Sehr intensiv bringt Maria Richter diesen Zwiespalt auf die Bühne, die kaum auszuhaltenden Zwänge, die ihr Entscheidungen als Herrscherin abverlangen, die sie als Mensch so nicht treffen möchte. Die Qual, Marias Todesurteil zu unterschreiben und sich damit Schuld aufzuladen, wird beinahe körperlich spürbar.