Im Stundentakt prasseln "Das Strafgericht", "Das Familiengericht" und "das Jugendgericht" bei RTL auf den Zuschauer ein. Kein Fall, der nicht schon in einer TV-Gerichtsshow ver(sc)handelt wurde. Was soll da noch ein Jugendstück wie "Stones", das am Donnerstag in der Inszenierung von Torsten Krug im Rudolstädter Theater Premiere hatte? Die Antwort gibt das zumeist jugendliche Publikum am Ende der Vorstellung selbst, betroffen dreinblickend, artig Beifall spendend und draußen in der Kälte heftig diskutierend. Flo (13) und Diesel (15) verbringen ihre Zeit mit Dingen, die Jungen in diesem Alter auf der ganzen Welt tun: Grenzen austesten, Mut proben. Zur Musik von Nirvana (das hören die Teenies jetzt echt wieder!) klettern sie im Lagerhaus umher, nennen sich liebevoll Scheißidiotenarschgesicht", lesen Steine aus einem Bach. Die werfen sie - was für ein Gaudi!- von einer Autobahnbrücke. Der letzte Stein trifft einen Fahrer tödlich. Die Kinder laufen davon, rufen nach der Mama. Polizeiverhöre und Gerichtsverhandlungen folgen. Gregor Wolf (Flo/Quandt) und Alexander Darkow (Diesel/Rottner) spielen sowohl die Jungen als auch die vernehmenden Polizisten. Nur eine Mütze auf dem Kopf oder ein Schlips unter der Jacke machen die Verwandlung äußerlich deutlich. Um so intensiver ist das Spiel der beiden, der unsichere Flo gibt den verständnisvollen Polizisten, der fiese Diesel den harten Bullen. Das Duo agiert in spartanischer Kulisse (Ausstattung Andrea Marotzke) aus zwei rechteckigen Hohlkörpern und einer Leiter, jegliche Requisiten werden nur pantomimisch angedeutet. Alles in diesem Stück konzentriert sich so auf die Frage Dummer-Jungen-Streich oder Mord, schuldig oder nicht schuldig, in die das gespaltene Publikum offensiv mit einbezogen wird. Am Ende steht der freigesprochene Flo noch einmal auf der Autobahnbrücke. Er hat seine Lektion gelernt, das Publikum auch. Keine Gerichtsshow hatte je so viel Tiefgang.
Ostthüringer Zeitung