Der Teufel als Souverän Premierenjubel für Goethes "Urfaust" im Theater Annaberg-Buchholz"
Applaus und Blumen. Die Geburtstagparty geht ihrem Höhepunkt entgegen. Andächtig verharren die Gäste. Doch als Faust ans Mikrofon tritt - Sprachlosigkeit. Dann ganz zögerlich, nach mehreren Ansätzen: "Habe nun, ach...". Seine Zuhörer verstehen nichts, das Publikum im Annaberger Theater schon. Wie Marcel Reich-Ranicki zur Fernsehpreisverleihung im Oktober 2008 seinen verdatterten Huldigern unerwartet eine gepfefferte Medienschelte um die Ohren haute, trifft es auch die Faustgratulanten gänzlich unerwartet. Der verehrte Wissenschaftler, die Koryphäe, das Idol - ein einziger Zweifel.
Goethes "Urfaust" ist zurück im Erzgebirge. 1993 bereits hatte sich das Ensemble das dramatische Fragment zur Eröffnung der Jubiläumsspielzeit zum 100-jährigen Bestehen des Theaters ausgesucht. Premierenjubel nun ebenso am Sonntagabend für die neue Interpretation.
Den Osterspaziergang, nein, den gab es nicht, selbst wenn es kalendarisch gepasst hätte. Auch viele andere Szenen, die die Geschichte im Teil 1 der "Faust"-Tragödie rund machen, hat der "Urfaust" nicht zu bieten. Und so ist dieses Jugendwerk, das erst 55 Jahre nach Goethes Tod uraufgeführt wurde, eine ziemlich spröde Angelegenheit, mit abrupten Szenenwechseln. Doch Regisseur Torsten Krug setzt diesen Defiziten eine wunderbar plastische Figurenzeichnung entgegen, und Jan Steigert hat sich dazu eine multifunktionale Klappkulisse ausgedacht.
Zweifellos muss man Fausts Widerpart Mephisto an erster Stelle nennen. Sven Zinkan ist der Souverän des Abends, was vom Publikum deutlich honoriert wurde. Wie er sein Opfer Faust umschleicht, ihn rumkriegt, seine Studierstube, in der dieser nicht mehr als Staub aufwirbeln kann, zu verlassen und ins pralle Leben zu stürzen, das hat genau das richtige Maß an.