Torsten Krug // Regisseur / Autor

Urfaust


von Johann Wolfgang von Goethe

Regie: Torsten Krug
Bühne und Kostüme: Jan Steigert
Dramaturgie: Silvia Giese

Theater Annaberg-Buchholz
April 2009

Mit:
Tim Osten (Faust)
Sven Zinkan (Mephisto)
Maria Richter (Margarethe)
Gisa Kümmerling (Marthe)
Nenad Zanic (Student, Brander, Böser Geist, Faust-Kollegium)
Thomas Tucht (Wagner, Frosch, Böser Geist, Faust-Kollegium)
Stefanie Mörke (Erdgeist, Lieschen, Böser Geist)
Udo Prucha (Siebel, Böser Geist, Faust-Kollegium)
Gerd Schlott (Alten, Böser Geist, Faust-Kollegium)
Gabi Kümmerling (Gretchens Mutter, Faust-Kollegium)
Marie-Luis Pühlhorn (Lieschen, Böser Geist, Faust-Kollegium)

Der Teufel als Souverän 
Premierenjubel für Goethes "Urfaust" im Theater Annaberg-Buchholz"

Applaus und Blumen. Die Geburtstagparty geht ihrem Höhepunkt entgegen. Andächtig verharren die Gäste. Doch als Faust ans Mikrofon tritt - Sprachlosigkeit. Dann ganz zögerlich, nach mehreren Ansätzen: "Habe nun, ach...". Seine Zuhörer verstehen nichts, das Publikum im Annaberger Theater schon. Wie Marcel Reich-Ranicki zur Fernsehpreisverleihung im Oktober 2008 seinen verdatterten Huldigern unerwartet eine gepfefferte Medienschelte um die Ohren haute, trifft es auch die Faustgratulanten gänzlich unerwartet. Der verehrte Wissenschaftler, die Koryphäe, das Idol - ein einziger Zweifel.
Goethes "Urfaust" ist zurück im Erzgebirge. 1993 bereits hatte sich das Ensemble das dramatische Fragment zur Eröffnung der Jubiläumsspielzeit zum 100-jährigen Bestehen des Theaters ausgesucht. Premierenjubel nun ebenso am Sonntagabend für die neue Interpretation.
Den Osterspaziergang, nein, den gab es nicht, selbst wenn es kalendarisch gepasst hätte. Auch viele andere Szenen, die die Geschichte im Teil 1 der "Faust"-Tragödie rund machen, hat der "Urfaust" nicht zu bieten. Und so ist dieses Jugendwerk, das erst 55 Jahre nach Goethes Tod uraufgeführt wurde, eine ziemlich spröde Angelegenheit, mit abrupten Szenenwechseln. Doch Regisseur Torsten Krug setzt diesen Defiziten eine wunderbar plastische Figurenzeichnung entgegen, und Jan Steigert hat sich dazu eine multifunktionale Klappkulisse ausgedacht.
Zweifellos muss man Fausts Widerpart Mephisto an erster Stelle nennen. Sven Zinkan ist der Souverän des Abends, was vom Publikum deutlich honoriert wurde. Wie er sein Opfer Faust umschleicht, ihn rumkriegt, seine Studierstube, in der dieser nicht mehr als Staub aufwirbeln kann, zu verlassen und ins pralle Leben zu stürzen, das hat genau das richtige Maß an.
Scheinheiligkeit, Geschmeidigkeit und Arroganz, dass es nicht ins Klischee umkippt. Erst geht er noch gebückt, doch schnell ist er sicher im aufrechten Gang, und da überragt er seinen Zögling Faust nicht nur um Haupteslänge. Der Teufel weiß um seine Überlegenheit und kann ganz genüsslich die Geschicke lenken.
Tim Ostens Faust ist ein Zauderer, der sich in seiner Seelenpein windet wie ein Wurm. Wozu die Mühen, wenn sich die Welt doch nicht erkennen lässt? Wenn dieser Wicht Mephistos Ratschläge nicht hätte, wäre der schon hier am Ende. Die Leidenschaft zu Gretchen reißt ihn zwar raus, und er spürt das Leben. Doch er versagt wieder, auf ganzer Linie. Leider spielt sich Osten nicht frei, ist permanent so angespannt, dass man seinen Faust kaum als das nimmt, was er eigentlich ist - die Hauptfigur. Maria Richter dagegen ist ein sehr berührendes Gretchen, jugendlich, frisch, ernsthaft auch und absolut ergreifend in der Wahnsinnsszene im Kerker. Während sie selbst in diesem Moment noch ihre Schuld am Tod des eigenen Kindes und der Mutter reflektiert, schlägt Fausts Rettungsversuch fehl, und er taumelt wieder seinem Verführer hinterher.
Menschen in ihren Grenzen, in ihrer Fehlbarkeit, das erzählt Torsten Krug mit seiner Inszenierung, die er sprachlich bei Goethe belässt, ansonsten aber weit ins Heute holt. Überzeugend.

Uta Trinks, Chemnitzer Freie Presse
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